Autor: Lina Zhou & Martin Wolfgang Trott
Faszination des Grauens
Chinesische Rationsscheine sind nicht nur ein Kulturträger, sondern sie spiegeln oft die ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen des Landes aus einer besonderen Perspektive wieder. Sie waren eine Art Kaufberechtigung, der ein offizielles Zahlungsmittel zu Grunde lag. Nach dem mißglückten „Großen Sprung nach vorn“ (1958- 1961), in dem die Kommunistische Partei Chinas unter der Leitung von Mao Zedong, die größte Hungersnot seit Menschengedenken auslöste, war Maos Einfluß in der Partei fast auf den Nullpunkt gesunken. Er hatte sogar das Amt des Staatspräsidenten 1959 an Liu Shaoqi (1898-1969) abtreten müssen.
Um nicht noch weiter ins Abseits gedrängt zu werden, unternahm Mao für sich einen politischen Rettungsplan. Er hetzte die chinesische Bevölkerung am 25. Mai 1966 auf: „Bombardiert die Hauptquartiere!“ Damit waren die Mitglieder seiner Parteizentrale und andere Autoritäten gemeint. Mit einem kleinen roten Buch in der Hand, indem Maos revolutionäre Sprüche niedergeschrieben sind, versammelten sich Millionen Jugendliche, die sich Rotgardisten nannten, am 18. August 1966 zum ersten Mal auf dem Tiananmen-Platz, um ihren „Steuermann“ bedingungslose Treue zu schwören. Sie sangen: „Der Osten ist rot, die Sonne geht auf, China hat einen Mao Zedong hervorgebracht. Er bemüht sich um das Glück des Volkes.“
Faszination des Grauens…